Die Oberfläche der verwendeten P120-Faser sollte aufgrund der großen graphitischen Bereiche eine vernachlässigbare Anzahl an sauerstoffhaltigen Oberflächengruppen besitzen. Dies wurde dadurch bestätigt, daß die Faseroberfläche von Wasser oder wäßrigen Lösungen unterschiedlicher pH-Werte (2-11) nicht benetzt wird. Bei einem pH-Wert von 13 wurde dagegen überraschenderweise ein Kontaktwinkel von 71° bestimmt; aus diesem ergibt sich eine Adhäsionsarbeit von 96,5mJ/m2 (± 11,1%). Dieses Ergebnis läßt auf geringe Mengen an Hydroxylgruppen auf der Faseroberfläche schließen, was mittels Electron Spectroscopy for Chemical Analysis bestätigt wurde. Die Adhäsionsarbeit der P120-Faser wird also überwiegend durch dispersive Lifshitz/van der Waals-Wechselwirkungen WDSL bestimmt. Dieser Anteil wurde mit einer annähernd unpolaren Meßflüssigkeit (Diiodmethan gL = 50,76mJ/m2, gDL = 48,96mJ/m2 [52]) bestimmt; der polare Anteil von g pL = 1,8mN/m kann vernachlässigt werden. Für den dispersiven Anteil der Adhäsionsarbeit der P120-Faser wurde ein g Dsl-Wert von 50,81mN/m ± 3,02% gemessen. Aus diesem Wert kann nach Gleichung (4) der Lifshitz/van der Waals-Wechselwirkungsanteil der Adhäsionsarbeit von Wasser berechnet werden [10]; er beträgt 66,6mJ/m2 ± 1,5%.
Die P120*-Faser zeigt ein ähnliches Benetzungsverhalten wie die P120-Faser; allerdings erfolgt auch bei einem pH-Wert von 13 keine Benetzung. Das deutet darauf hin, daß der nicht-dispersive Anteil der Wechselwirkungen der P120-Faser auf Verunreinigungen der Faseroberfläche zurückzuführen ist, was durch Electron Spectroscopy for Chemical Analysis bestätigt wird (siehe Kapitel 3.1). Der mit Diiodmethan für die P120*-Faser bestimmte Wert für die Adhäsionsarbeit ist mit dem der P120-Faser identisch.
Alle Meßwerte in den nachfolgenden Diagrammen sind zur besseren Übersicht miteinander verbunden, die Stufen zwischen den betreffenden pH-Werten sind eingezeichnet. Die genauen Absolutwerte der Lage dieser Stufen kann jedoch mit dem verwendeten Meßaufbau nicht bestimmt werden, da der Meßfehler zu groß ist. Aufgrund der Säure-Base-Theorie erfolgt der Übergang zwischen der protonierten und deprotonierten Form jedoch in einem sehr engen pH-Bereich, weshalb die Stufen steil eingezeichnet werden müssen.
Abbildung 36: Adhäsionsarbeit in Abhängigkeit vom pH-Wert für die mit 0,01mol/l Ferrocen in NMP imprägnierte und unterschiedlich lange bei 450°C in Sauerstoff oxidierte P120*-Faser; (a): 0,5h; (b): 5h; (c): 20h. |
Nach einer katalysierten Oxidation der P120*-Faser mit Hilfe von Ferrocen (0,01mol/l Ferrocen in NMP) bei 450°C ist die Faser benetzbar. Die Adhäsionsarbeiten in Abhängigkeit vom pH-Wert nach Oxidationszeiten von 0,5h, 5h und 20h sind in Abbildung 36 wiedergegeben.
Es läßt sich folgendes beobachten: Zwischen den pH-Werten 7 und 9 steigt die Adhäsionsarbeit nach allen Behandlungszeiten an; die Größe der Stufe nimmt jedoch mit zunehmender Oxidationsdauer zu. Ein weiterer Anstieg der Adhäsionsarbeit läßt sich zwischen den pH-Werten 11 und 13 (Oxidationszeiten von 5h und 20h) bzw. bei pH-Werten von 9 bis 11 (Oxidationszeit von 0,5h) erkennen. Weiterhin ist zu beobachten, daß der Anstieg der Adhäsionsarbeit im Bereich dieser pH-Werte mit abnehmender Oxidationszeit zunimmt, womit nach einer Oxidationszeit von 0,5h die bereits erwähnte Verschiebung der Stufe zu kleineren pH-Werten verbunden ist. Aus diesen Ergebnissen kann man schließen, daß auf den verschieden lang behandelten Fasern ähnliche Oberflächengruppen, vermutlich jedoch in unterschiedlicher Konzentration vorliegen. Nach Zielke und Krekel [6-8,10,11,18,63,78,79] sollte die Stufe zwischen den pH-Werten 7 und 9 schwach sauren carboxylischen Gruppen und Lactolen, die Stufe zwischen den pH-Werten 9 und 11 stabilisierten Carbonatgruppen, phenolischen Hydroxylgruppen und Chinonen, und die Stufe zwischen den pH-Werten 11 und 13 Hydroxylgruppen zugeordnet werden.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Abbildung 37 wiedergegeben. Sie zeigt die maximale Adhäsionsarbeit WSL, max. bei pH=13 in Abhängigkeit von der Zeit. Man erkennt zwischen einer Reaktionszeit von 0,25h und 0,5h einen starken Anstieg der Adhäsionsarbeit von 111,5mJ/m2 auf 133,1mJ/m2. Eine Erhöhung der Oxidaionszeit führt zu einer Abnahme der Adhäsionsarbeit bis zu einem Minimum von 123,0mJ/m2 nach einer Reaktionszeit von 5h. Nach einer Reaktionszeit von 20h ist wieder ein Anstieg der Adhäsionsarbeit auf einen Wert von 130,0mJ/m2 feststellbar.
Abbildung 37: Maximale Adhäsionsarbeit bei pH=13 in Abhängigkeit von der Zeit für die mit 0,01mol/l Ferrocen in NMP imprägnierte und unterschiedlich lang bei 450°C in Sauerstoff oxidierte P120*-Faser. |