Bestrahlt man ein Atom mit monochromatischem Licht, dessen Photonen eine höhere Energie als die Ionisierungsenergie der Elektronen des Atoms in den entsprechenden Atomorbitalen besitzen, so können diese Elektronen aus dem Atom herausgeschlagen (ionisiert) werden. Dabei muß die Energie aufgebracht werden. Erfolgt die Ionisierung durch elektromagnetische Strahlung, so spricht man vom Photoeffekt und die resultierenden Elektronen werden als Photoelektronen bezeichnet [50,73].
Nach der Ionisierung kann der Ausgangszustand z. B. durch den Sprung eines Elektrons von einer höheren Schale in die Lücke eines tieferen Energieniveaus wieder hergestellt werden. Dabei wird die Differenz der Bindungsenergien der beteiligten Schalen als Energie frei, die als Strahlung gemäß DE = h n emittiert werden kann.
Da bei einer Ionisierung die eingestrahlte Energie meistens höher ist als die zur
Ionisierung benötigte Energie, kann die überschüssige Energie als kinetische
Energie auf das herausgelöste Elektron übertragen werden (Gleichung (8)):
Die überschüssige kinetische Energie des herausgelösten Elektrons wird detektiert und man erhält ein Photoelektronen-Spektrum mit Informationen über die Orbital-Ionisierungsenergien des jeweiligen Atoms.
Bei den Photoelektronenspektren unterscheidet man zwischen Photoelektronenspektren aus den äußeren Orbitalen (Photo Electron Spectroscopy, PES) und solchen aus den inneren Orbitalen (Electron Spectroscopy for Chemical Analysis, ESCA) [50].
Im Rahmen dieser Arbeit wurden ESCA-Messungen an Kohlenstoffasern durchgeführt. Für diese Untersuchungen wurde ein AEI (Kratos) ES200B Röntgen-Photoelektronen-Spektrometer mit nicht-monochromatischer Al-Ka-Strahlung (1486,6eV) und einem Druck von ca. 4*10-8Pa eingesetzt. Die Aluminiumanode wurde mit einer Spannung von 10kV und einem Strom von 12mA betrieben.
Zur Kalibrierung der Anlage wurde vor jeder Messung die Au-4f7-Linie (84,00eV) und der Energieabstand der Cu-2p3/2-Linie (932,70eV) überprüft [10].
Jede Probe wurde mit einem Leitpad der Firma Merck, Bruchsal, auf einem Kupferplättchen (6x22mm) fixiert. Der Durchmesser des Meßstrahls betrug ca. 6mm, die Eindringtiefe ca. 5-10nm [73]. Bei jeder Messung wurde die Oberfläche mindestens dreimal abgerastert.
Mit einem Computerprogramm wurden die Kurven unter Beachtung der Peakenergien und der Halbwertsbreiten gefittet [6,7,10]. Die Untergrundkorrektur wurde nach Shirley [74] durchgeführt. Das Gauss-Lorentz-Verhältnis beim Fitten wurde immer konstant auf 0,90 für den C1s- bzw. 0,75 für den O1s-Peak eingestellt [6,10]. Der Anteil der Lorentzfunktion läßt sich nach Lo=1-Ga berechnen. Aus den gefitteten Daten wurde das O1s:C1s-Verhältnis bestimmt, welches zum Vergleich der verschiedenen Oxidationsstufen herangezogen werden kann [6,10]. Aus diesem Wert sind Informationen über die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffgehaltes eines kleinen Volumens der Faseroberfläche erhältlich [6-8].
Die Peakzerlegung und die Bestimmung der jeweiligen Peakflächen erfolgte durch Zerlegung der gemessenen C1s- und O1s-Peaks unter Beachtung der in Tabelle 4 dargestellten funktionellen Gruppen.
Tabelle 3: | Übersicht über die funktionellen Gruppen, die bei der Zerlegung der ESCA-Spektren berücksichtigt wurden. | |||
Spektrum | Peak-Nr. | Bindungsenergie, eV | HWHM | funktionelle Gruppe |
C1s | 1 | 284,6 | 1,2 - 1,3 | aromatisch |
2 | 285,3 | 1,3 - 1,4 | aliphatisch | |
3 | 286,1 | 1,3 - 2,1 | Ethergruppen | |
4 | 286,4 | 1,3 - 2,1 | Keto-Enol-Gleichgewicht | |
5 | 287,6 | 1,5 - 1,7 | Carbonylgruppen | |
6 | 289,1 | 1,3 - 1,6 | carboxylartige Gruppen | |
7 | 290,6 | 1,3 - 1,6 | carbonatartig gebundener C | |
O1s | 8 | 531,1 | 1,2 - 1,7 | Ketone |
9 | 532,3 | 1,8 - 2,2 | Hydroxylgruppen, Carbonylgruppen |
Der C1s-Wert für den Plasmon-Peak (291,3eV) wurde nicht
berücksichtigt, da er nicht beobachtet werden konnte.
Für die Zerlegung und die Berechnung der Fläche des O1s-Peaks wurden nur die Peaks der Carbonyl- und Hydroxylgruppen beachtet, da höhere Bindungsenergien nicht mehr auf chemische Bindungen, sondern auf Aufladungen zurückzuführen sind.
Alle durch die Zerlegung erhaltenen Peakflächen müssen noch durch den entsprechenden Streuquerschnitt des jeweiligen Elementes dc = 0,25, do = 0,66) dividiert werden. Durch Addition der entsprechenden Peakflächen wurde das O1s:C1s-Verhältnis berechnet.